Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

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Ralle
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von Ralle »

Die Angabe "30Nm + 1/4 Umdrehung" stammt aus dem RLF "Golf, Jetta, Scirocco 1,6 und 1,8 l Einspritzmotor (K-Jetronic)".
Behandelt wird dort u. A. der Scirocco ab 1974.

Unterschieden wird in diesem RLF übrigens nur zwischen Pleuelschrauben für 1,6 und 1,8 l-Motor - 1,6l hat starre Schrauben M9x1x15 (45Nm), der 1,8l besitzt Dehnschrauben M8x1x25 (30Nm+90°).

65Nm ist dort das Anzugsmoment der Schrauben für die KW-Lagerdeckel.

Über die Begriffe "Dehnschrauben" (VW nennt sie jedenfalls so) und "Stehbolzen" kann man streiten - es ist keine klassische Schraube und auch kein gewöhnlicher Gewindestift.
Bei Ford z. B. sitzen in den Radnaben Stehbolzen zur Befestigung der Felgen und diese sehen optisch wie "unsere" Dehnschrauben aus. :prost: :-)
Gruß von Ralf :wink:

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Stephan
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von Stephan »

Moin Ralf,

siehste, die M9 waren mir so gar nicht im Gedächtnis. Aber seis drum. Worauf ich hinaus will ist glaube ich klar.

Kleine Exkursion, falls jemand es lesen mag:

Wer sich mal ein wenig mit der Schraubenkunde an sich auseinander setzt, wird ja auch feststellen, dass man im Grunde fast jede Maschinenschraube als Dehnschraube nutzen kann. Schließlich kommts hier nur drauf an, sich beim Festziehen eben genau in den elastischen Bereich der Schraubendehnung zu begeben und eben gerade noch nicht den dauerhaft plastisch verformten Bereich zu benutzen, allenfalls gerade anzukratzen.

Fakt ist, jede Schraube als solche hat aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften eine Streckgrenze. Überschreitet man diese, längt sich die Schraube. Überschreitet man diese noch weiter, reißt sie ab.

Fakt ist auch, dass eine Bundschraube, bei der der Bund einen bestimmten Faktor zum Grunddurchmesser der Schraubengröße (Durchmesser - Gewinde) überschreitet, irgendwann halt nicht mehr als Dehnschraube eingesetzt werden kann, sondern dann einfach nur noch als Presselement oder als auf Passung/Scheerung beanspruchte Verbindung funktioniert. Die Wirkung ist im Grunde ähnlich.

Nur, die spezielle Eigenschaft, die die Dehnschraube in ihrer Verwendung als solche kennzeichnet, ist doch, dass diese einen Kompromiss darstellt zwischen hoher Dauerfestigkeit und einem hohen Vermögen an Temperaturausgleichsfähigkeit. D.h. in Bereichen besonderer thermischer Belastung wird man eine Schraube immer als Dehnschraube nutzen müssen. Schließlich soll sie dauernde Erhitzung und Abkühlung aushalten und darf sich dabei nicht lockern oder gar lösen. Dies ist eben gerade nur möglich, wenn die Schraube im noch elastischen Bereich so angezogen ist, dass sie beim Erhitzen auf ihre maximal vorgesehene Temperatur sich eben gerade nur soweit längt, dass immer noch genügend Vorspannung (Presskraft) vorhanden ist, damit sich die Schraube nicht löst. Das ist ja eigentlich auch logisch.

Ein Gegenbeispiel bei dem es gerade nicht mehr funktioniert ist, wenn man sich anschaut, dass sich im Abgasbereich bei Turbokrümmern im Upgrade bzw Tuningbereich oft Schrauben lösen, weil diese eben über die eigentlich vorgesehene Temperatur hinaus belastet werden und dann eben die o.g. elastische Dehnung beim Festziehen gerade nicht mehr reicht um die Längenausdehnung aufnehmen zu können. Der Hintergrund ist folgender: dort werden aufgrund größerer Krümmer Schrauben genutzt, die z.B. 20mm länger sein müssen um den Turbo zu halten. Die Schraubengröße bleibt aber gleich, z.B. M8. Nun wird die Schraube festgezogen, wie ab Werk vorgesehen, mehr geht nicht, das sie sonst abreisst bzw das Gewinde des Lader beschädigt (z.B. bei höherfesten Schrauben, 12.9 statt 10.9). Die längere Schraube längt sich aber nun einfach ein paar Mikrometer länger/weiter als die Serienschraube und nach mehrmaligem Heißwerden und Abkühlen ist sie locker.

Genau dies darf natürlich bei Motorinnereien keinesfalls passieren. Ergo bleibt nur die Möglichkeit hier mit Dehnschrauben zu arbeiten. Und damit komme ich wieder zu meinem obigen Beitrag zurück: Es ist völlig egal, auf welcher Seite man eine Schraube spannt. Kommt sie dabei in den elastischen Bereich ist es eine Schraube oder ein Bolzen, der/die/das in seiner Funktion als Dehnschraube eingesetzt wird.

Einfach festzustellen an der Angabe von Drehmoment + Drehwinkel.
MfG,
Stephan


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Ralle
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von Ralle »

Sehr schön erklärt! :thumb:

Allerdings beim morgenlichen Frühstücks- :kaffee: sehr schwere Kost..... :hihi:


Vielleicht als kleine Ergänzung:

Im Normalfall besitzen Dehnschrauben nur in einem kurzen Bereich am Anfang ein Gewinde, der restliche Schaft ist glatt.
Dies erhöht die Zugfestigkeit im Vergleich zu einer Schraube mit durchgehendem Gewinde.
Optisch erkennbar sind solche Dehnschrauben meistens an einem Schaft, welcher einen geringeren Durchmesser als das Gewinde hat - z. B. die Zylinderkopfschrauben für unsere Motoren.
Gruß von Ralf :wink:

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Stephan
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von Stephan »

Hallo,

um das Ganze hier bzgl. des Eingangsthemas der KW Hauptlager noch einmal vernünftig abzuschließen:

Es gibt bei VW unterschiedliche Varianten welche Lagerschale wo hin gehört. Dies richtet sich nach dem Aufbau des Motorblockes.

1. die alten 4 Zyl. VW Motoren aus Scirocco/Golf und so weiter bis einschließlich 16V und natürlich auch JH/DX/EG und wie sie alle heißen (827er Basis):
- Lager 1,2,3 und 5 haben KEINE umlaufende Nute. Die Nute ist auf der Seite im Block. Der Lagerdeckel enthält keine Nute, sondern ist glatt. Das 4. Lager ist beidseitig mit einer umlaufenden Nute versehen, weil dort der Druck der Ölpumpe ankommt und in die Kurbelwelle verteilt wird. Verbaut man hier nur im Block das Lager mit der Nute sorgt dies - wie hier beim TE für einen kapitalen Motorschaden, weil die Pleuel (und vermutlich auch die KW Hauptlager) irgendwann trocken laufen, bzw. das Lager wegschleifen, da Ölfilm und Öldruck zu gering sind. Im Falle des Lagerersatzes ist das dritte Lager wohl als Passlager erhältlich das gleich seitlich die Anlaufscheiben integriert hat.

2. die neueren 4 Zyl. VW Motoren, z.B. 1,8T Motoren wie AGU, BFB, ja - auch AEB laut Leitfaden (was ich seltsam finde, da es ja eigentlich ein 16V Block ist) - bis zur Einführung des TFSI (wie es da ist weis ich nicht mangels Unterlagen und Erfahrungswerten) haben auf der Blockseite in jedem Lager eine Nute. Auf der Gegenseite, sprich der Seite mit den Lagerböcken/-deckeln ist bei KEINEM Lager eine umlaufende Nute vorgesehen. Hier ist der Block auch anders aufgebaut. Die Ölpumpe versorgt hier eine quer liegende Leitung. Über diese werden sämtliche Ölspritzdüsen und die Kurbelwellenhauptlager mit Öldruck versorgt. Jedes Pleuellager wird hier vom daneben liegenden KW Hauptlager versorgt, Sprich HL 1 - PL 1, HL 2 - PL 2, HL 4 - PL 3, HL 5 - PL 4.
Erwischt man hier nun - so wie ich gerade - einen Satz mit 6/4 Lagerschalen, sprich 6 mit Nute, 4 ohne Nute, kann man die Notfalls auch bei letzterem Motor verwenden. Da sollte dann das Lager mit umlaufender Nut in den 3. Lagerdeckel. Montiert man den dann nämlich woanders hin, sinkt der Öldruck. Ab werk sind bei diesen Motoren 5/5 Deckel vorgesehen, sprich nirgends eine umlaufende Nut. Da das dritte KW Hauptlager aber nur sich selbst versorgt ist das hier unproblematisch.

Ich möchte aber nochmal mit Nachdruck darauf hinweisen - verbaut man bei den alten VW Motoren die umlaufende Nute an der falschen Stelle oder ein 5/5 Set, das nicht zu dem Motor gehört, ist die Ölversorgung des Motors nicht gewährleistet und der Motor geht kaputt.
MfG,
Stephan


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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von saxcab »

... und es gibt Lager für geschliffene Wellen. Die sind kleiner und haben ein zu geringes Lagerspiel und fressen ebenfalls.

Aber- der TE meldet sich nicht!?
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Gruß André
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von Dr G60 »

I4-8V hat geschrieben:
Ich berichte weiter wenn die "neue" KW da ist.

Gruß Johannes
Die KW wird noch nicht da sein :grins:
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AW: Pleuellagerschaden an 3 von 4 Lagern

Beitrag von I4-8V »

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure Antworten.
Leider war diesen Sommer bei mir so viel los, dass ich zwar gerade noch zum schrauben aber nicht mehr zum Schreiben gekommen bin.
Nach dem ich mir noch mal meine Fotos angeschaut habe kann ich mit Sicherheit sagen, das ich die KW Hauptlager wie oben geschrieben verbaut hatte:

"Lager 1,2,3 und 5 haben KEINE umlaufende Nute. Die Nute ist auf der Seite im Block. Der Lagerdeckel enthält keine Nute, sondern ist glatt. Das 4. Lager ist beidseitig mit einer umlaufenden Nute versehen, weil dort der Druck der Ölpumpe ankommt und in die Kurbelwelle verteilt wird."

Bei meiner letzten Antwort war ich mir dessen nicht 100%ig sicher.

Dann ist auch irgendwann die "neu" (gebrauchte) KW gekommen. Diesmal habe ich alle Zapfen ersteinmal mit einer Mikrometerschraube vermessen. Alle waren im Soll.
Also KW getauscht und neue Lager, neue Pleuelchrauben und eine "neue" Ölpumpe verbaut. Natürlich alles penibelst saubergemacht. Und die Pleuel mit 30Nm + 90° angezogen.

Die alten Lager sahen beim Ausbau wie folgt aus.
Der Dateianhang IMG_0659.jpg existiert nicht mehr.
Danach lief der Motor super, 500km jedenfalls. Danach erlauschte ich erneut das bekannte klackern, was schnell sehr viel lauter wurde. ==> ADAC

Jetzt steht der Rocco seit gut 2 Monaten. Ich bin schon dazu gekommen die Ölwanne runter zu nehmen und die Pleuellager 2&3 an zu schauen. Wobei vom Lager 3 nicht mehr wirklich viel über war. Lager 2 hingegen sah noch sehr brauchbar aus. Auch habe ich das KW Lager 4 geprüft. Alles wie vorgeschrieben, Lagerschalen mit umlaufender Nut verbaut. Öldruckprobleme gab es nicht und bei zusammenbau hatte ich alle Ölkanäle überprüft.

Gruß erstmal so weit Johannes
Dateianhänge
IMG_0659.jpg
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