in diesem Forum ist es immer wieder zu lesen: Verkaufe meinen Scirocco wegen Hobbyaufgabe...". Damit es erst gar nicht soweit kommt, ausser man hat wirklich kein Interesse mehr daran, hier einige meiner Erfahrungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), die für Neulinge gedacht sind, die mit dem Gedanken der Anschaffung eines Scirocco II spielen.
Zwar werden die meisten Autos nach dem Bauch gekauft "Den muss ich haben" aber ganz ausser Acht lassen sollte man den Verstand nicht, denn die nächste Überraschung kommt bestimmt, wenn der "Neue" erstmal da steht. Ohne Beweis kann gesagt werden, dass man gut beraten ist ein Modell der letzten 2-3 Baujahre zu erwerben, da bei diesem die Kinderkrankheiten ausgemerzt wurden.
Punkte:
- Das Hobby "Scirocco" kostet Geld. Das schönste Hobby nutzt einem nichts, wenn man es sich nicht leisten kann oder nur unter Entbehrungen. Es kostet langfristig mehr als sich einen modernen Kleinwagen (Polo, Corsa, Japaner etc.) zu kaufen. Der Scirocco ist fast dreimal so teuer in der Versicherung wie andere Autos (derzeit: Typklasse 20 und 22), zudem ist er relativ hoch besteuert und verbraucht mehr Benzin (8-9 Liter sind heute viel). Der vermeintlich günstigen Anschaffung von ca 1000€ + für einen guten Wagen stehen dann die laufenden Instandhaltungskosten gegenüber. Der Scirocco ist kein Neufahrzeug, was klaglos viele Jahre fährt.
Auch Ersatzteile vom Schrott kosten, es läppert sich was da zusammen kommt, zudem gebrauchte Teile auch schneller als Neuteile wieder ausfallen. Am häufigsten macht der Motor Zicken, da er dem grössten Verschleiß unterworfen ist und seine Lebensdauer dadurch begrenzt wird. Es gibt viele Sciroccoliebhaber, die fluchend und heulend nur noch gegen den Verfall arbeiten, das Geld geht nicht zur Verschönerung drauf, sondern nur noch dafür ein Ersatzteil nach dem anderen zu tauschen, was seinen Dienst versagt.Da macht das Hobby dann auch keinen Spass mehr. Ein Auto der ersten Baujahre ist wartungsintensiver als eines der letzten.
Wer sowieso mit seinem Auskommen nicht zurecht kommt, für den ist der Scirocco einfach das falsche Auto. Kommt noch Tuning hinzu reden wir nicht mehr von hunderten Euros sondern schnell von Tausenden. Leistungssteigerungen des Motors sind immer mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden, "einfache" Möglichkeiten wie das Umstecken eines Steuerchips gibt es nicht.
- Der Scirocco I ist meiner Einschätzung nach ein Auto für Schrauber und solche, die es werden wollen. Es ist einfach kein Auto für Nur-Fahrer, die schon mit einem Ölwechsel überfordert sind oder nicht wissen wie ein Vergaser wenigstens ansatzweise funktioniert. An Autos diesen Alters sind laufend Reparaturen, Schweissarbeiten und Wartungen durchzuführen, die detaillierte technische Kenntnisse verlangen - andererseits ist die Ersatzteillage beim Scirocco I problematisch, auf dem Schrottplatz wird man nicht mehr fündig und bestimmte Teile werden bei ebay etc. sehr teuer gehandelt. Da kann man schon an der Beschaffung des Fenstergummis scheitern. Der Feind des Scirocco I ist der Rost, darum gibt es heute auch nur noch so wenige, obwohl sehr viele gebaut wurden. Es gibt heute in Deutschland nur noch ca 1000 zugelassene Scirocco I, der Anschaffungspreis für ein Auto, was nicht schon beim Anblick zu Rost zerfällt ist um das 3-5 fache höher als bei einem IIer.
- Der Scirocco II wurde während seiner Bauzeit in verschiedenen Vergaser-Versionen gebaut aber auch ab ca 1984 als Einspritzer, ausgerüstet mit der K?-Jetronic, sein Motor ist identisch mit dem des Golf I. Ab 1988 gab es nur noch den 1.8l Einspritzermotor, der Jahrzehnte bewährte Vergasermotor wurde durch die Einspritzung vollständig verdrängt . Die Vergaserversionen besitzen (mit Ausnahme der Magermix-Motoren) meiner Kenntnis nach ab Werk maximal einen U-Kat, der steuertechnisch so gerechnet wird wie "kein Kat". Meiner Erfahrung nach (2 x 1.6l Vergaser, 3 x Einspritzer) sind die Einspritzer die zuverlässigeren Wagen, die zudem leichter zu warten sind, ausserdem sind sie jünger. Der modernste und meistgebaute Einspritzer mit heute noch fast 12.000 Exemplaren hatte den Motorcode JH, zudem erfüllt der Wagen Euro 1 Norm, fährt mit Normalbenzin (auch wenn das heute eigentlich keine Rolle mehr spielt) und wird derzeit mit ca 272€/Jahr besteuert. Die anderen Einspritzer sind meines Wissens nach der DX (112 PS GTI), EG und der 16V PL/KR.
- Der Scirocco 16V ist die Königsklasse mit der stärksten Serienmotorisierung, erhältlich als PL (129 PS, KE-Jetronic) oder KR (139PS, K-Jetronic), der KR ohne Kat (Steuer ca 460€/Jahr). Es sei aus meiner eigenen Erfahrung gesagt, dass der Betrieb und Unterhalt eines 16V ein mehrfaches dessen kostet was ein normaler Scirocco braucht. Ob Abgaskrümmer, der mal wieder gerissen ist oder der neue 22mm Bremszylinder, oder das 2Y Getriebe - Für den 16V ist einfach alles Spezielle etwas seltener und etwas teurer, zudem brauchen beide Typen Superplus Kraftstoff wegen der hohen Verdichtung. Der 16BV ist ein 8V mit verbessertem Gaswechsel, nur der Kopf ist anders, der Hubraum ist gleich. Unterschiedlich sind aber ihre Einspritzanlagen, die KE-Jetronic im PL ist die am weitesten entwickelte K-Jetronic mit Drosselklappen-Poti und Klopfsensor. Der KR Motor bietet wegen des fehlenden KAt aber mehr Möglichkeiten zum Tuning, wie Fächerkrümmer. Beide 16V haben demzufolge das gleiche Manko, es sind "Dreh-Motoren" , im unteren Drehzahlbereich relativ leistungsschwach, sie entfalten ihren Kraft erst ab ca 4000 U/min aber dann auch richtig. Der 16V ist allerdings die richtige Basis für Tuning am Motor.
- Der Scirocco II ist meines Erachtens ein Hobbyfahrzeug aber KEIN wirtschaftlicher Alltagswagen! Auch wenn ihn viele Besitzer so fahren. Der Grund liegt einfach darin, dass der jüngste IIer mindestens 15 Jahre alt ist und sie fast alle 150.000+x Kilometer gefahren haben. Das ist so ungefähr die magische Grenze ab der Autos anfangen langsam aber sicher immer mehr Mängel zu haben. Anfällig für Rost ist er nicht, der IIer, aber wie alle Autos hat er jede Menge Verschleissteile. Modellspezifische Neuteile sind unbezahlbar teuer bei VW, Karosserieteile meist gar nicht mehr erhältlich, wohingegen Verschleissteile aller Art auch heute noch problemlos zu bekommen sind, zudem der Golf I aus nahezu ähnlichen Teilen aufgebaut ist und es davon noch so viele gibt, dass sich ein Nachbau der OEM Teile für die Zubehörindustrie lohnt. Der 827er Block von VW wurde millionenfach hergestellt.
- Anders als Neuwagen ist der Scirocco II von einem technischen versierten Laien zu nahezu 100% selbst zu warten, da er keinerlei komplexe Elektronik hat und der Motor überwiegend mechanisch funktioniert. Selbst eine Motordiagnose und -einstellung ist mit geringen Hilfsmitteln auch ohne Werkstatt möglich. Er ist das ideale Auto für denjenigen, der gern selbst Hand anlegt. Eigentlich braucht man nur einen Schrottplatz in der Nähe und einen guten Zubehörhändler.
- Worauf man sich einstellen sollte: Der Motor (Einspritzer) ist beim Scirocco anfällig für Störungen aller Art. Davon betroffen sind die Systeme: Einspritzanlage, Zündung, Hilfsaggregate für Leerlauf + Startverhalten, weniger der Block, Kurbeltrieb und Zylinderkopf selbst, die halten am Längsten. Vielleicht war das bei den Neuwagen mal anders, dass sie 2,3,5-x Jahre störungsfrei liefen - heute ist es jedenfalls so. Es fängt an mit dem schlechten Kaltstart, einem Sägen der Drehzahl, geht weiter beim schlechten Anspringen im Warmzustand, Leistungsverlust, Ruckeln beim Gasgeben, Krachen der Schaltung im 2.ten Gang usw. Gravierende Konstruktionsfehler hat der Scirocco nicht, dafür lief er zu lange vom Band, es gibt keine typischen Versager wie bei Ford in den 80igern die Nockenwelle oder die Kupplung. Das liegt einfach nur daran dass der Motor umgeben ist von mechanischen Zusatzbauteilen, die schwergängig werden, sich verstellen, ihre Dichtungen versagen, die verstopfen usw. Die K-Jetronic ist robust und millionenfach erprobt in Fahrzeugen aller Typen der 80iger Jahre - aber es reicht ein einziges Sandkorn in ihrem Inneren um sie für immer still zulegen. Gerade der Kaltstart erfordert eine Menge Kunstgriffe, um den Motor am Laufen zu halten. (Selbst wenn er läuft garantiere ich, dass die Hälfte aller Sciroccos mit defekten Einspritzdüsen umherfährt.) Motoren sind aber immer noch für sehr wenig Geld gebraucht zu bekommen, ein JH Motor ab ca 150€, die Getriebe kosten auch nicht mehr - da VW diese Teile in vielen anderen Modellen wie dem Jetta, Santana, Vento, Golf oder Polo ebenfalls verbaut hat.
Von der Beschreibung her ist den Liebhabern heute nahezu alles Material verfügbar, über das früher nur Werkstätten verfügten, es hat alles seinen Weg nach aussen gefunden und wird teilweise unter der Hand weitergeben. Die wichtigsten Hilfsmittel sind: Bücher wie "Jetzt helfe ich mir selbst", VW Reparaturleitfäden (die muss man eigentlich haben!), Bosch Veröffentlichungen über die Einspritzanlage und eine namentlich nicht näher genannte CD auf der alle Explosionszeichnungen aller Modelle zu finden sind.
Beruhigend ist aber: Selbst ich, als Schreibtischtäter mit zwei linken Händen habe es geschafft diese Dinge innerhalb wenige Jahre zu lernen, Sciroccos zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen - und IMMER das Ziel zu erreichen, einen Wagen wieder ans Laufen zu bekommen - auch wenn viel Lehrgeld bezahlt wurde.
Weitere Informationen über die Kaufberatung mit technischen Details gibts hier: http://www.typ53.com/d35.htm und hier http://de.wikipedia.org/wiki/VW_Scirocco
In diesem Sinne viel Spaß bei der Anschaffung und dem Fahren des schönsten Autos, was VW seinerzeit bei Karmann bauen liess !

